Eine kleine Übung: Hören wir mal etwa eine Minute die Geräusche von innen und außen, einfach nur hören. ...
Wie war das jetzt? Haben Sie etwas gehört, was Sie vorher nicht gehört hatten? Sind Sie vielleicht nach einer halben Minute vom Hören eher in die eigenen Gedanken gekommen? Das mit dem Hören ist so eine Sache – auch wenn man sich nicht die Ohren zuhält, hört man manchmal nicht, was jemand anderer sagt, oder mit dem Gesagten sagen will.
In der Geschichte „Das Nein-Horn“, ein Kinderbuch mit vielen lustigen Tieren, gefällt mir besonders gut der „Was-Bär“. Er fragt immer nach: „Was?“ und wird dann gefragt: „Hörst du schlecht oder hörst du nur nicht richtig zu?“ Seine Antwort: „Mal so, mal so.“ Jetzt in der Ansprache ist es so, dass ich rede und Sie zuhören – oder auch nicht. Wenn jemand meine Worte als Hintergrundrauschen für eigene Gedanken nimmt, ist es auch ok.
Bei der Pfingsterzählung ist unser Blick oft auf die Apostel und ihrer geistgewirkten Fähigkeit in verschiedenen Sprachen verständlich zu reden gerichtet. Mir ist heuer das „Hören“ aufgefallen. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf die vielen bunten Menschen, die „Parther, Meder und Elamiter“ und wie sie alle heißen, richten, fällt auf, dass sie HÖREN. „Jeder hörte sie in seiner Sprache“, heißt es und sie fragen sich „Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören?“ – die geistgewirkte Fähigkeit des Hörens!
Im hektischen Alltag vergessen wir oft, wie wichtig es ist, wirklich zu hören. Nicht nur das Hören mit unseren Ohren, sondern mit unserem Herzen. Aufeinander hören bedeutet, sich wirklich auf den anderen einzulassen, seine Sorgen, Freuden und Gedanken wahrzunehmen. Es geht darum, die Stille zwischen den Worten zu verstehen und Empathie zu zeigen. Echtes Zuhören fördert Gemeinschaft und stärkt unsere Beziehungen. Viele erinnern sich bestimmt an das moderne Märchen „Momo“. Von dieser Momo heißt es: „Momo konnte so zuhören, dass dummen Leuten plötzlich sehr gescheite Gedanke kamen. Nicht etwa, weil sie etwas sagte oder fragte, was den anderen auf solche Gedanken brachte, nein, sie saß nur da und hörte einfach zu, mit aller Aufmerksamkeit und Anteilnahme. Dabei schaute sie den anderen mit ihren großen, dunklen Augen an und der Betreffende fühlte, wie in ihm auf einmal Gedanken auftauchten, von denen er nie geahnt hatte, dass sie in ihm steckten. Sie konnte so zuhören, dass ratlose oder unentschlossene Leute auf einmal ganz genau wussten, was sie wollten. Oder dass Schüchterne sich plötzlich frei und mutig fühlten. Oder dass Unglückliche und Bedrückte zuversichtlich und froh wurden.“ Richtig zuzuhören ist eine Kunst. Es bedeutet, präsent zu sein, nicht nur körperlich, sondern auch geistig und emotional. Es bedeutet, den anderen nicht zu unterbrechen, nicht sofort zu urteilen oder Antworten zu formulieren, sondern einfach nur zuzuhören. Diese Art des Zuhörens kann Heilung bringen und tiefe Verbindungen schaffen. Sie ist ein Ausdruck von Liebe und Respekt.
Richtig zuzuhören ist eine Kunst, auch in der Gesellschaft und in der Kirche. Sicher macht es Spaß, sich gelegentlich die Worte zuzuspielen, wie Bälle beim Tennis. Ein brillantes Gesprächs-Pingpong kann manchmal Freude machen, wie geschmetterte und raffiniert angeschnittenen Bälle. Streitgespräche machen Sinn, z.B. im Wahlkampf, weil dadurch unterschiedliche Standpunkte deutlich werden. Aber bei vielen Talk-Shows habe ich den Eindruck, dass die Show im Vordergrund steht und es beim Wahlkampf mehr um den Kampf geht, als darum, eine fundierte Wahl zu ermöglichen.
Ignatius von Loyola gibt seinen „Gefährten“, die er auf das Konzil von Trient (1545-1563) entsendet, Kommunikationsregeln mit. Er sieht das Konzil nicht nur als ein Geschehen, bei dem es darum geht, alte Wahrheiten zu verteidigen und tiefer zu verstehen oder Häresien abzuweisen. Das Konzil ist für ihn zu einem guten Teil ein außerordentliches und intensives Kommunikationsgeschehen. So gibt er u.a die Regel mit „Ich wäre langsam im Sprechen, indem ich das Hören für mich nutze; ruhig, um die Auffassungen, Gefühle und Willen derjenigen, die sprechen, zu verspüren und kennenzulernen, um besser zu antworten oder zu schweigen.“
Das Hören für mich nutzen um die Auffassungen, Gefühle und den Willen des/der anderen kennenzulernen und zu erspüren, um besser zu antworten (nicht dagegenzureden) oder zu schweigen – was für eine Vorlage für persönliche Gespräche und gesellschaftliche und kirchliche Debatten!
Pfingsten ist ein Fest des Hörens, des Verstehens und der Einheit. Es erinnert uns daran, dass das Hören ein göttliches Geschenk ist, das Brücken baut und uns verbindet und in der Lage ist Frieden zu schaffen.
Heiliger Geist, der „Meister des Unmöglichen“, kann tiefe Missverständnisse und kopfschüttelndes Unverständnis in Verständigung verwandeln.
Wer daran manchmal zweifelt, für sich selbst oder in Kirche und Gesellschaft, dem empfiehlt sich ein Blick auf unser Altarbild. Da kommt der Heilige Geist aus dem unendlichen Nichts und biegt ein in diese Welt.
Ein Kunstreferent hat dazu gesagt: „Der Heilige Geist kriegt die Kurve!“ In dieser Zuversicht feiern wir Pfingsten: Der Heilige Geist kriegt die Kurve schon! Achten wir darauf – mit den Ohren, Augen und mit dem Herzen.
Brigitta Neckermann-Lipp